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Sonntag, 4. Mai 2014

Diren Dede

Hallo alle zusammen!
Ich möchte diesen Post nutzen, um über ein Thema zu sprechen, dass mich vergangene Woche sehr beschäftigt hat.

In der Nacht von Samstag zu Sonntag vor einer Woche wurde ein deutscher Austauschschüler names Diren Dede in Missoula, Montana hier in den USA erschossen worden. Circa 20 Minuten nach Mitternacht hat Diren einen Alarm in einer Garage ausgelöst. Der Hausbesitzer hat zur Schrotflinte gegriffen und ihn erschossen. Diren starb kurz danach an einer Patrone die ihn in den Kopf getroffen hat. Natürlich denken sehr viele sofort an die kaltblütigen Amerikaner, die ohne wirklichen Grund "Cowboy spielen" und einfach nur heiß drauf sind herumzuballern.
Ich habe einen Artikel darüber für Spiegel-online geschrieben.
Der Artikel sollte darüber sprechen, wie wir als Austauschschüler darüber denken, wie wir über den Tod von Diren erfahren haben und wie wir das Verhältnis "Amerikaner und ihre Waffen" hier wahrnehmen.

Hier mein Original-Artikel:

Von: Johann Galinsky
Aus: Coswig, Sachsen
Austauschschüler in: Wylie, Texas, USA
Schule: Wylie High School (2000 Schüler)




  
Von Diren Dede erfuhr ich über soziale Medien. Das Netzwerk der internationalen Austauschschüler auf Facebook ist enorm. Zuerst hielt ich es für ein Gerücht… Ein Austauschschüler, der erschossen wurde, war mir unvorstellbar. Je weiter ich die Startseite durchgekämmt und die zahllosen Posts der Austauschgruppen und -schülern auf Facebook gelesen habe, bekam er einen Namen, ein Gesicht, Freunde und Familie…
Die Amerikaner und ihre Waffen fängt man erst dann an zu verstehen, wenn man selbst zum Halb-Amerikaner wird, was durch ein Austauschjahr in den USA passiert. Hier gehört ein Waffenschrank zu den meisten der amerikanischen Wohnungen. Zur Beruhigung: Gastfamilien müssen ihre Waffen unzugänglich machen und in einem Safe abschließen, wenn sie einen Austauschschüler aufnehmen wollen. Meine Gasteltern sind Mormonen und somit Teil einer christlichen Religion, die pure Freundlichkeit, Friedlichkeit und Güte repräsentiert. Trotzdem hat mein Gastvater die Lizenz, eine Schusswaffe in der Öffentlichkeit bei sich zu tragen, wenn er so wünsche (was er natürlich nicht tut). Und ab und zu und besonders in Texas sieht man hier Menschen mit Waffe am Gürtel, wie etwa der Familienvater mit Revolver an der Hüfte, der den Einkaufswagen mit Kind drin sitzend durch den Supermarkt schiebt, eine Situation, in welcher der Durchschnittsdeutsche wohl “112” ins Handy drücken würde.
Den Amerikanern ihre Waffen weg zu nehmen wäre, als würde man in Deutschland Alkohol illegal machen (was übrigens von 1920 bis 1933 in den USA der Fall war). Es ist einfach unvorstellbar. Nach dem ich 8 Monate hier in den USA gelebt habe, kann ich nur vermuten das Diren zur falschen Zeit am falschen Ort war, was in seinem Fall die Garage eines Fremden um 00:20 Uhr nachts war.
Amerikaner sind sehr freundliche Menschen und haben das Talent, jeden das Gefühl zu verleihen, beste Freunde zu sein. Ich hörte, dass auch Diren wohl sehr begeistert von diesem wundervollen Land gewesen sein muss. Jeder hält hier dem anderen die Tür auf, Gespräche beginnen mit “Wie war dein Tag?”, Lächeln und Freunde fürs Leben sind in den USA ein Massenprodukt, doch so sind auch Waffen. Man muss wissen, wo man des Amerikaners Linie überschreitet.
            Doch gerade, weil ich selbst ein Austauschschüler aus Deutschland bin, beschäftigt mich der Tod von Diren Dede sehr und ich kann mir nicht vorstellen, was seine Familie in Hamburg durch macht. Ich weiß durch Kontakt zu anderen Austauschschülern, dass Gebete in verschiedensten Sprachen aus aller Welt für ihn gesprochen werden und während des Schweigemoments, ein Prozedere, das an meiner High School eine alltägliche Routine ist, hallte Direns Name durch meinen Kopf. Ein Name, der jedem Austauschschüler in den USA innerhalb eines Tages ein Begriff geworden ist.
Ich finde, es ist auch wichtig zu wissen, dass Diren keinesfalls wegen seiner Herkunft oder seines Status als Gast in den USA getötet wurde, sondern weil er als Einbrecher vermutet wurde.
Die Tragödie ist maßlos. Ein Austauschjahr ist dazu da, Jugendlichen den Wunsch zu erfüllen, ihren Traum zu leben und es ist ein Jahr, das für uns das schönste aller Jahre sein sollte. Nicht unser letztes…





Hier ist der Link zum Spiegel-online-Artikel. Ihr seht, vieles steht da nicht mehr drin.

Die USA ist ein Land, dessen Geschichte hauptsächlich daraus besteht, sich selbst "den Arsch zu retten", so egoistisch, wie es auch klingen mag, und diese Denkensweise ist ein tiefer Bestandteil der amerikanischen Kultur. Nicht, weil sie egoistisch sind. Amerikaner sind extrem selbstlos. Doch wenn sie sich in ihrer Sicherheit und der Sicherheit ihrer Familie bedroht fühlen, tun sie unvorhersehbare Dinge. Dinge, die Diren vielleicht hätte voraussehen müssen nach 8 Monaten in diesem Land.


Doch auch der Mann, der Diren getötet hat, hat gestanden, dass er seine Garage wie eine Falle ausgelegt hat. Er legte eine Handtasche in die Garage, ließ die Garagentür offen, legte Sensoren aus und wartete nur darauf auf denjenigen zu schießen, der ihm in die Falle geht. Warum? Weil er mehrere Male zuvor bestohlen wurde, innerhalb der letzten Wochen. Ob das auch Diren war? Weiß bisher keiner so richtig.



Ich veröffentliche diesen Post erstmal und schreibe einen anderen danach, um von anderen Sachen, die gerade so passieren zu erzählen. Weiß nicht, ob ich den heute Nacht fertig bekomme oder heute anfange und über die Woche fertig stelle.
Darum erst mal tschüss!

Danke fürs Lesen.

Liebe Grüße aus den USA,

der Texaner


-Johann




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