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Sonntag, 13. Oktober 2013

Mit Chris Brown aufm Rummel

Hallo ihr Lieben,
nach einer Woche Pause melde ich mich wieder, voller Gedanken bezüglich der letzten 14 Tage und ich habe so viel zu erzählen, dass ich einfach mal drauf los schreiben muss.

Zuerst sei mal gesagt, dass ich jetzt schon zwei Monate hier bin, das heißt, noch viermal so lang und ich bin schon wieder weg von hier. Die Leute hier fragen mich ständig, ob ich meine Heimat vermisse und um ehrlich zu sein, ist die Frage schon ein wenig schwierig. Natürlich vermisse ich es ein wenig, aber ich hab kein Heimweh oder so. Ich habe zu lange hierauf gewartet, um Heimweh zu haben und ich habe es einfach geschafft, die Grundsteine für eine komplett neue Heimat zu legen und ein neues Leben aufzubauen. Ich bin und bleibe einfach glücklich.

Der vorletzte Montag (zur Orientierung, das ist der Tag, an dem der letzte Post online ging) war ziemlich erfolgreich. Als ich im letzten Post sagte, dass ich ziemlich beschäftigt bin, habe ich gerade an einem Aufsatz für das Fach English gesessen. Ich musste ein Gedicht analysieren. Von Aufsätzen in Deutschland bin ich gewöhnt, dass man da zwei Seiten voll schreibt. Ich habe mit Schriftgröße 12 knapp anderthalb Seiten geschrieben (1055 Wörter). Vorgabe war ein Einleitungs-Paragraph, zwei Hauptabsätze und ein Schluss- oder Zusammenfassungs-Paragraph. Ich hatte einen Absatz mehr, weil es eine der wichtigsten Noten für das Fach war. Als ich in der Schule meine Arbeit präsentierte, hatten alle anderen gerade mal Aufsätze mit um die 100 Wörter. Alle staunten über meine Arbeit und fragten, was ich denn da alles rein geschrieben hätte. Meine Lehrerin hat fünf Klassen mit jeweils um die 25 Schüler. Alle mussten diesen Aufsatz machen. Vier Schüler davon hatten auf ihre Aufsätze eine 100, also volle Punktzahl, und ich war tatsächlich einer davon. Das war irgendwie der größte Erfolg in der High School bisher. 

Vor kurzem hatten wir eine Art Stadtfest. Das Verblüffende war, dass überall kostenloses Essen und Trinken war. Die Leute drängelten es einem quasi auf. Ich war zwei Minuten da und hatte einen halben Liter frisch gepresste Limonade in der einen Hand, ein Hot Dog in der anderen und eine Tüte Popcorn unterm Arm. Alles kostenlos. Ich fand das so klasse, dass ich das fotografieren musste. Hier also ein Bild von den Kübeln voller kostenloser Hotdogs, eingepackt in Alufolie.


Dann waren da überall Stände, wo Leute der Stadt irgendwas präsentiert haben. Der, der mich am meisten überrascht hat der der Police. Bilder sprechen für sich. Merke: das war ein Familienfest!


Sturmgewehr und Granatenwerfer.

Scharfschützengewehr.

Halloween steht vor der Tür und wie die Amerikaner das feiern ist unglaublich. Vor allem, was das Dekorieren angeht. Manche Vorgärten sind wie Friedhöfe gestaltet, überall stehen Kürbisse und auch meine Gasteltern stellen ihr Haus auf den Kopf. Unsere Türklingel spielt nun die fünfte Symphonie von Beethoven und riesen Spinnen und Eulen zieren Wände und Schränke. Was auch zu Halloween  gehört, ist, was hier boo'ing genannt wird und es ist die beste Art von Kettennachrichten (und ich hasse sowas, wie den Tod) überhaupt. Man nimmt Süßigkeiten, Cookies oder was auch immer, packt die in kleine Beutel und hängt die an zwei Briefe. Der eine sagt "We have been boo'ed", der andere erklärt, dass man den ersten Brief an die Haustür hängen soll, damit alle sehen, dass man verar***t wurden ist und der andere erklärt, wie boo'ing funktioniert. Die Regeln sind, wenn man boo'ed ist muss man das bei mindestens zwei anderen machen. Wir wurden schon zweimal geboo'ed und gehen heute Abend die zweite boo'ing-Tour an. Natürlich habe ich bei der ersten Tour daran gedacht, eine Video zu machen, also habe ich meiner Gastmom gesagt, sie soll mich filmen. Ich liebe dieses Video. Guckt's euch einfach an.


Das genialste ist jedoch, wenn die, die so einen Streich machen, nicht wissen, dass man Überwachungskameras am Haus hat und man sich dann vor Lachen kugelt, weil man denjenigen beim Wegrennen zusieht.

Und jetzt erkläre ich den Titel des Post. Letzten Montag waren wir auf der State Fair. Jeder Bundesstaat hier hat das, aber der in Texas ist legendär. Es ist ein riesiger, vollkommen überteuerter Rummel oder Jahrmarkt oder was auch immer. Zwischen den ganzen Buden, wo Leute versuchen, Ringe auf Flaschenhälse zu werfen und Zielscheiben abzuschießen, (übrigens mit echten Gewehren, Texas und so...) um danach riesige Plüsch-Minions nach Hause zu nehmen, bildet sich plötzlich eine riesige Menschenmenge, die sich in ein und dieselbe Richtung bewegt. Mädchen kreischen, Jungs gröhlen, andere Teenager heulen lauthals und verzweifelt. Mittendrin Cody, Indra und ich und wir hatten keinen Plan, was da los ist. Doch ich beschloss mich ins Getümmel zu stürzen. Plötzlich kommt ein Junge mit Coupons (quasi die Währung auf dem Rummel, die man gegen Dollar kauft und an den Ständen einlöst) auf mich zu und schreit mir ins Gesicht, dass er die soeben von Chris Brown erhalten hätte. Als ich ich fragte "Chris Brown?!", sagt er, "Yeah, dude, that rapper guy who beats up his girlfriend!" (Ja, Alter, der Rapper-Typ, der seine Freundin (gemeint ist Rihanna) verprügelt!)
Natürlich wusste ich, wer Chris Brown ist, aber wie er mir das erzählt hat, fand ich göttlich, darum habe ich das hier rein geschrieben. Ich drängelte mich also da durch und hüpfte dabei mit langem Hals herum und plötzlich sehe ich tatsächlich diese breit grinsende Weltberühmtheit mit zehn Bodyguards durch den Rummel laufen. Ein Mädchen hielt mich plötzlich am Arm und fragte, ob ich weiß, was los ist. Als ich ihr sagte, dass Chris Brown da ist, zeigte sie mir den Vogel und ließ mich los. Ich drängelte mich weiter durch und als ich mich umsah, stand Chris Brown drei Meter weg von mir. Ich wollte ein Bild, machen und entschloss mich stattdessen gleich zu filmen. Drei Minuten lang drängelte ich mich weiter, bis Chris Brown zwei Meter von mir weg war und hielt ihm mein Handy ins Gesicht, dann filmte ich wieder mich mit Chris Brown als Hintergrund. Polizisten schubsten mich weg, doch ich blieb hartnäckig. Drei Minuten lang hatte ich also immer wieder mein Handy im Gesicht von Chris Brown und schrie dann wieder "This is me and Chris Brown!!" In mein Handy und wiederholte diesen Vorgang einige Male. Dann schrien die Police-Officer plötzlich "Stop" und Chris Brown verschwand hinter einer Absperrung. Stolz wie selten zuvor, sah ich auf mein Handy. Doch was jetzt kommt, werde ich mir nie verzeihen. Ich habe vergessen, auf den kleinen roten Punkt auf dem Bildschirm zu drücken, der die tolle Funktion "Aufnahme" repräsentiert. Ich bin kein Chris Brown-Fan aber wenn man die Möglichkeit hat ein Video mit einer der berühmtesten Persönlichkeiten der Welt zu haben und das vermasselt, glaubt mir, das ist doof. Ich setzte mich frustriert auf den Boden, zu den ganzen heulenden Teenagern und dem Mädchen, dass mir fünf Minuten zuvor einen Vogel gezeigt hat, nun am Straßenrand sitzt und sich ihre Schminke von ihrem roten Gesicht wischt und heult, wie ein Schlosshund. 

Den größten Schritt, den ich gegangen bin, ist, dass ich einen neuen Facebook-Account für Amerika habe um den Kontakt nach Deutschland radikal zu reduzieren und auch mein Whatsapp ist gelöscht (kennt hier in Texas sowieso keiner). 

Das war's schon wieder...

Und jetzt entschuldigt mich, wir haben noch Cookies zu backen und Leute zu boo'en.

Danke für's Lesen.

Ich hab 2000 Aufrufe pro Monat... Wahnsinn... 

Bis bald.

Der Texaner

-Johann