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Sonntag, 22. Juni 2014

Rückkehr

Hallo,
Es war so, wie erwartet. So schnell. Im letzten Post schrieb ich, "Das war wohl einer meiner letzten Posts aus Amerika", unwissend davon, dass ich nie mehr dazu kommen werde, auf diesem Blog aus den USA zu berichten und unwissend davon, dass das bereits der letzte Post aus Amerika war und auf einmal sitze ich hier, erzähle von meiner ersten Woche zu Hause, oder besser gesagt in Deutschland. "Zu Hause sein" ist relativ.
       Der Abschied fiel sehr schwer. Dieser Satz klingt so ausdruckslos, doch wofür es keine Worte gibt, sollte man  keine Worte suchen. Ich habe mich bei den meisten meiner Freunde verabschieden können. Meinen Lehrern, meinem Schulleiter, meiner Gastfamilie und meinen besten Freunden habe ich auch Karten geschrieben und mich für das Jahr bedankt. Nun sitze ich hier in meinem alten zu Hause, in Deutschland, in meiner Heimatstadt und ich kann nicht fassen, schon wieder hier zu sein und im nächsten Moment könnte ich fast denken, ich wäre nie weg gewesen. Der Flug scheint, wie ein Nebel in meinem Kopf, wenn ich zurück denke. Kaum auszumachen, kaum real. Wenn ich mich an den Flug erinnere, denke ich an den roten Horizont hinter meiner kleinen, ovalen Scheibe, dem schnarchenden Inder hinter mir, das durchaus positive Privileg eines Fensterplatzes, ruhige Musik durch meine Kopfhörer und vor allem jedoch Frustration. Als wir in der Luft waren und noch über Amerika geflogen sind dachte ich mir immer "Ich will nicht weg, ich will nicht weg." Ich habe mir die Nase platt gedrückt, gegen die Scheibe, bis sie anlief und ich meinen Ärmel als Scheibenwischer benutzen musste. Es war ein langer Flug und auch in der Nacht konnte ich nicht aufhören aus dem Fenster zu schauen, bis eine der Stewardessen mich gebeten hat das Fenster zu schließen. "Wir haben jetzt Nachtruhe." Nach drei Stunden Schlummern, waren wir schon an der Küste von Irland. Irgendwann kam die Durchsage, dass wir uns jetzt über Deutschland befinden und auch die letzten Fensterplatzprivilegierten drückten sich die Nasen platt. Ich fiel gar nicht mehr auf... Neun Stunden Flug waren vergangen.
      Und dann änderte sich etwas. Ich fühlte einen gewissen Frieden in mir. Die ganze Zeit war der Gedanke, zurück nach Deutschland zu kommen, geradezu deprimierend. Ich liebe Deutschland, doch ich war einfach noch nicht bereit, zu gehen, und meine Freunde in Amerika nicht bereit, mich gehen zu lassen. Als ich die ganzen typisch deutschen Dörfer sah, die kleinen Autos, die verkorksten Straßen, die, anders als in den USA nicht alle quadratischer Struktur, sondern wild durcheinander verlaufen, die Felder, die Wälder, all das... Als ich das sah, wurde mir bewusst, dass ich jetzt da bin. Ich habe dieses Gefühl, nach dem ich mich gesehnt habe in einem anderen Post mal erwähnt. Ich habe mich danach gesehnt angekommen zu sein, nicht ständig denken, ich bin bald weg, bald musst du dich von all dem verabschieden... Ich bin da. Hier.
       Das war bei mir der Punkt, wo ich mich auf zu Hause gefreut habe. Es war, wie bei einer Achterbahnfahrt. Das ganze Austauschjahr war eine Achterbahn und wer selbst schon mal eine Achterbahn gefahren ist, versteht folgendes besser.
       Bevor man eine Achterbahn fährt, hat man Angst. Man ist sich nicht sicher ob man es lebend raus schafft, man hat Angst davor herauszufallen. Den Sicherheitsgurt legt man sich selber an. Der Sicherheitsgurt bei einem Austauschjahr ist Mut und Wille. Mut, es zu wagen, trotz aller Zweifel, Wille sich durchzukämpfen und sich von den Loopings der Achterbahn und den Hürden, die ein Austauschjahr mit sich bringt nicht einschüchtern zu lassen. Doch es gibt Leute deren Job du bist und diese Leute sind deine Organisation, deine Freunde und deine Familie. Bevor die Achterbahn losgeht kommen diese Menschen an dem Wagen vorbei und sorgen dafür, dass dein Gurt richtig sitzt, damit du nicht raus fällst und stellen die Menschen dar, ohne die du niemals in dieser Achterbahn sitzen würdest, denn alleine könntest du niemals Achterbahn fahren. Alleine könntest du nichts... Dann bekommt das Achterbahnpersonal ein Signal und du bekommst deine Gastfamilie und nichts kann dich mehr auf halten. Der Gurt sitzt. Jetzt zu sagen "Entschuldigung, irgendwie will ich doch nicht.", wäre viel zu peinlich und bevor du überhaupt was sagen kannst, spürst du einen Ruck in der Schulter und es geht schon los. Die Achterbahnfahrt beginnt. Es geht hoch, es geht runter, manchmal willst du schreien und weißt selbst nicht, ob vor Angst, Aufregung oder Vergnügen. Und plötzlich steigst du schon wieder aus. Die nächsten warten, deinen Platz einzunehmen. Du denkst zurück, als du dort gestanden hast und gewartet hast, diese Achterbahn zu fahren. Als wäre es vor ein paar Sekunden gewesen und du bist neidisch, denn du würdest am liebsten einfach sitzen bleiben.
       Ich bin stolz, diese Achterbahn gefahren zu sein. Natürlich ist ein Austauschjahr um einiges bedeutungsvoller als eine Achterbahn, doch die Metapher hat gepasst. Was beim Austauschjahr oben drauf kommt, sind Menschen, Orte, Straßen, Erinnerung, Erfolge, Lektionen, die dich ein zweites Leben leben lassen. Menschen, Orte, Straßen, Erinnerung, Erfolge, Lektionen, die man die nie vergessen wird.

Ankunft in Deutschland

Es ist ein Moment, den man nie vergisst. Man kommt aus der Glastür im Flughafen und sieht seine Familie nach einem Jahr. Meine beste Freundin erzählte mir ein paar Tage zuvor sie könnte mich nicht vom Flughafen abholen und hat mich dann dort doch überrascht (Du bist doof!). Ich habe meinen Papa gaaaaanz lang umarmt, meine Mama und meinen Bruder auch, die ich erst zwei Wochen zuvor gesehen habe auch und die Freundin meines Bruders und zum ersten mal deren Tochter, meine Nichte, die geboren ist, als ich weg war. Natürlich habe ich das Baby nicht umarmt, aber mal über die Wange gestrichen. Ich hab ja schon viele Babys gesehen aber, die Kleine ist einfach nur eine "Zuckerschnecke", wie mein Papa immer sagt... Wer meinen Bruder kennt: Selbes Gesicht, nur halt etwas kleiner, und in pinken Babyklamotten. Dann natürlich auch eine extra lange Umarmung für meine beste Freundin Schmalli. (Bist doch nicht doof.) Auch die Mutter meiner bester Freundin war da und somit waren also sieben Mann (mit Baby) da und haben mich in Empfang genommen... Neben uns kam auch ein Austauschschüler mit etwa 30 kreischenden Leuten raus... Angeber... 

Wir fuhren nach Hause in einem edlen schwarzen Hummer, den mein Papa extra gemietet hat. (Das erste Auto mit dem ich in Deutschland fahre ist ein amerikanisches.) Wir fuhren von Dresden nach Coswig zu mir nach Hause. Das ist der Moment, wo ich mir einfach nur gedacht hatte, "Als wäre ich niemals fort gewesen..." Alles sah aus wie vorher, was mich doch beruhigt hat. Von Veränderung hatte ich erst einmal genug.

Dann aus dem Nichts... Wir biegen in unsere Einfahrt ein... Etwa 50 Leute stehen bei uns auf dem Hof... In einem selbstgebauten kleinen texanischen Dörfchen... Bei uns zu Hause... Alle klatschen... Gesichter, die ich so lange nicht gesehen hatte strahlten mich... Es war einer der magischsten Momente meines Lebens. Alle waren verkleidet. Von Indianern über Cowboys bis hin zu Mexikanern war alles dabei. Ich steige aus dem Auto und bevor ich etwas sagen konnte, falle ich auf die Kniee. Manche haben geweint, so froh waren sie mich zu sehen. (Eines der schönsten Gefühle der Welt, wenn Menschen so wegen dir weinen...) Ich habe dann all die Leute umarmt, zum ersten Mal nach so langer Zeit und mich bedankt, dass sie da sind. Manche hatten sich verändert, manche nicht. Ich denke, ich lasse Bilder für sich sprechen...



Links ist Mama, rechts ist Papa (Sheriff)
 









Ich poste demnächst noch mehr Bilder... Das Details war der Hammer... Patronenhülsen im Holz, Marderpfal, angeräuchertes Holz, und und und.... Ich war komplett sprachlos... Meine Eltern sind der Wahnsinn, dass die sowas organisiert haben! Danke Mama und Papa!
       Während des Abends kamen noch mehr und mehr, meine Mama sprach von etwa 100 Leuten...


Das war's erstmal, ich schreibe bald wieder. Ich schreibe demnächst mal über die Verrücktheiten des deutschen Alltags, was mir so auffällt, was ich vermisse und was ich froh bin, endlich wieder zu haben.

Danke für's Lesen und dafür, dass ihr mich dieses Jahr lang begleitet habt. Ich weiß nicht, wie lange ich hier noch posten werde, doch ich werde sicher ab und zu noch einmal etwas schreiben bezüglich meines internationalen Lebens. Ich hoffe der/die eine oder andere freut sich darüber und liest es, auch, wenn mein eigentliches Jahr in den USA vorbei ist.

Kind of Amrican Dream macht mich sehr stolz und ich freue mich über jeden, der mich drauf anspricht.

Bis bald,

der Texaner, der immer ein Texaner bleiben wird.

-Johann